Dekarbonisierung, Stellungnahmen & Positionspapiere
21.10.2019

bne-Stellungnahme zur Verbändeanhörung des BMU zum Referentenentwurf für ein Gesetz über ein nationales Emissionshandelssystem für Brennstoffemissionen (BEHG)

Berlin, 21. Oktober 2019. Der bne begrüßt die Einführung eines CO2-Preises in Deutschland in den Sektoren Wärme und Verkehr. Doch der von der Bundesregierung geplante CO2-Preis wird in den nächsten fünf Jahren so niedrig liegen, dass von ihm keine Anreize für Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen ausgehen werden. Der vorliegende Entwurf für das Brennstoff-Emissionshandelsgesetz (BEHG) führt leider auch alle anderen Fehlkonstruktionen aus dem Klimaschutzprogramm 2030 fort: Das nationale Emissionshandelssystem ist extrem komplex und überbürokratisch, teuer in der Umsetzung, rechtlich bedenklich und intransparent. Darüber hinaus ist das BEHG ungeeignet, die Erreichung der Klimaziele in den betreffenden Sektoren voranzubringen und signifikante Treibhausgasminderungen zu bewirken. Der bne fordert eine Kurskorrektur und Einführung einer CO2-orientierten Steuerreform für Wärme und Verkehr bereits ab 2020 (aufsetzend im bestehenden Energiesteuersystem).

Wie die Bundesregierung selbst festgestellt hat, sind verstärkte Klimaschutzan-strengungen erforderlich, um den Ausstoß an Treibhausgasen zu mindern und erhebliche Belastungen des Bundeshaushalts abzuwenden. Letztere sind zu erwarten/werden fällig, wenn Deutschland in den nicht vom EU-Emissionshandel erfassten Sektoren seine gegenüber der EU verbindlich zugesagten nationalen Jahresziele zur CO2-Emissionsminderung verfehlt (sog. Effort Sharing Decision). Daher hat die Bundesregierung in ihrem am 25. September beschlossenen Klimaschutzprogramm 2030 vorgesehen, als zentrale Maßnahme eine CO2-Bepreisung in den Sektoren Wärme und Verkehr ab 2021 einzuführen. Diese soll nach den Eckpunkten des Klimakabinetts mit einem nationalen Emissionshandelssystem realisiert werden. Der nun vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) vorgelegte Referentenentwurf für ein Gesetz über ein nationales Emissionshandelssystem für Brennstoffemissionen (BEHG) setzt leider die unzureichenden Vorschläge des Klimakabinetts fort:

CO2-Preis 2021-2025 zu gering, wirksamer CO2-Preis zu spät und keine langfristigen Preissignale

Der Festpreis zu dem die Emissionszertifikate in der sog. Einführungsphase 2021- 2025 an die Verpflichteten verkauft werden, ist viel zu niedrig, um annähernd die erwartete Lenkungswirkung und angestrebte Treibhausgaseinsparung zu erzielen. Davon gehen selbst die Verfasser des BEHG-Entwurfs aus (siehe Gesetzesbegründung zu § 5 (Flexibilisierungsinstrumente nach der EU-Klimaschutzverordnung)) und haben daher im BEHG-Entwurf geregelt, dass Deutschland zur Einhaltung seiner Jahresemissionsbudgets, auch Emissionszuweisungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten erwerben kann.

Der geplante CO2-Preis von 10 €/t im Jahr 2021 liegt ein Vielfaches unter den von Wissenschaftlern und Ökonomen empfohlenen Einstiegspreisen. Selbst unter Berücksichtigung sozialer Maßnahmen und der Prämisse, die CO2-Bepreisung aufkommensneutral auszugestalten, schlagen alle von Regierungsseite beauftragten Experten als niedrigen und sozialverträglichen Einstieg einen CO2-Preis i. H. v. 25 – 50 bzw. 35 €Euro /t CO2 im Jahr 2020 vor. Gemäß BEGH-Entwurf würde dieser CO2-Preis jedoch erst im Jahr 2025 erreicht. Das bedeutet, investitionsrelevante Preisniveaus stellen sich frühestens Mitte der 20er Jahre ein. Diese Verschwendung von wertvollen fünf Jahren in der Klimapolitik ist unverantwortlich, weil gerade nur ein gutes Jahrzehnt bleibt, mit wirksamen klimapolitischen Maßnahmen größere, nicht mehr umkehrbare Auswirkungen zu verhindern.

Darüber hinaus wird das vorgeschlagene System – wie bereits der EU-Emissionshandel – keine langfristigen Preissignale liefern, denn es bleibt unklar, welche Preisniveaus ab 2027 zu erwarten sind. Ohne verlässliche Kalkulations-grundlage fehlt jedoch die notwendige Planungssicherheit für langfristige Investitionen. Ein klarer, langfristig verankerter Preispfad im Rahmen einer Steuerlösung bis 2030 wäre hier die bessere Lösung gewesen. Der bne fordert die Einführung eines wirksamen CO2-Preises von 35 – 45 Euro je Tonne CO2 ab 2020 für Wärme und Verkehr kombiniert mit einem ambitionierten Preispfad.

Emissionshandelssystem ohne Knappheitssignale und ohne Handelssystem

Das von der Bundesregierung gewählte nationale Emissionshandelssystem (EHS) führt zwar einen CO2-Preis in Wärme und Verkehr ein, ist aber nach seiner Ausge-staltung im BEHG-Entwurf kaum noch als Emissionshandel oder Marktinstrument erkennbar. Denn bei einem Emissionshandel werden die CO2-Emissionen auf eine Gesamtmenge – das sogenannte “Cap” – begrenzt und in Form handelbarer Rechte (Berechtigungen) ausgegeben. Der Preis, zu dem die Emissionszertifikate erworben werden können, ergibt sich aus verfügbarem Angebot und Nachfrage im Markt.

All das ist im nationalen EHS gemäß BEHG-E gerade nicht der Fall. Zum einen sollen die Zertifikate zu einem im Gesetz festgelegten Preis ausgegeben werden (§ 11 Abs. 6 BEHG-E). Zum anderen werden zwar jährliche Emissionsbudgets festgelegt, doch in der Einführungsphase bis inklusive 2025 werden die Emissionszertifikate nach Bedarf ausgegeben (§ 11 Abs. 6 BEHG-E), eine Begrenzung nach oben erfolgt nicht. Damit fehlt gerade das zentrale Element eines Emissionshandels – die Mengensteuerung. Auch widerspricht die Zertifikatsveräußerung gemäß § 11 BEHG-E dem Grundsatz zur Bestimmung der jährlichen Emissionsmengen in § 4 Abs. 1 BEHG-E. Hiernach sind die jährlichen Emissionsmengen so festzulegen, dass Deutschland seine Verpflichtungen aus der EU-Klimaschutzverordnung erreichen kann. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem europäischen Emissionshandelssystems und dessen Weiterentwicklung ist nicht nachvollziehbar, dass die Anrechnung möglicher Überschüssen an Emissionszuweisungen durch Minderungen in anderen Sektoren geregelt werden soll (siehe § 5 Abs. 2), aber keine Vorkehrungen zur Stilllegung und Löschung von überschüssigen Emissionszertifikaten getroffen werden. Schon vor 2026 sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Emis-sionen im Non-ETS-Sektor nachweislich im erforderten Maß zu senken. Wird an der Einführung des nationalen EHS festgehalten, muss ab 2026 eine transparente Verknappung der Zertifikate erfolgen, so dass sich ein Emissionshandel einstellt und die gewünschte Mengenreduktion eintritt. Weiteres zentrales Merkmal eines Emissionshandelssystems ist eine Handels-plattform. Doch das BEHG sieht sowohl für die Übertragung von Zertifikaten als auch die Versteigerung eine Behörde (Umweltbundesamt) als Ausgabestelle und Übertragungsplattform vor.

Nach alledem ist nach Einschätzung des bne ein derartiger „Emissionshandel“ grundsätzlich nicht geeignet, die klimapolitisch notwendige Steuerungswirkung in Wärme und Verkehr zu erreichen. Im Wärmesektor sind der Einfluss von konjunkturellen Veränderungen und die Schwankungen im absoluten Klima mit entsprechenden Effekten auf Heiz- und Kühllasten so groß, dass diese den – soweit überhaupt vorhandenen – Steuerungseffekt des EHS stark überlagern. Auch im Verkehrssektor wird der extrem niedrig gewählte CO2-Preis keine Wirkungen entfalten, weil zum einen das Abgabenniveau bereits sehr hoch ist und zum anderen, der Verbrauch von Strom noch immer sehr hoch mit Steuern, Abgaben und Umlagen belastet ist.

Lücken, Ausnahmen und Privilegien schwächen die Lenkungswirkung des Emissionshandelssystems weiter

Bereits aus dem EU-ETS sollte bekannt sein, wie Lücken, Ausnahmen und Privilegien die Lenkungswirkung des Instruments erheblich und bis zur Wirkungslosigkeit schwächen können. Die Handhabung von überschüssigen Emissionszertifikaten haben wir bereits oben angesprochen. Es ist richtig, die Gültigkeit der zum Festpreis veräußerten Zertifikate auf das betreffende Kalenderjahr zu begrenzen (§ 9 Abs. 1 BEHG-E), um das Bunkern von günstig erworbenen Zertifikaten und deren Verwendung oder Veräußerung in späteren Jahren zu unterbinden. Da aber das nationale EHS ab 2026 mit Preiskorridoren fortgeführt werden soll, ist die Aufgabe der jährlichen Befristung kritisch zu prüfen. Andernfalls wäre der Anreiz zum Bunkern von Zertifikaten nicht vollständig beseitigt. Die Befreiung der Kohle für die ersten beiden Jahre (2021 und 2022) führt zur Ungleichbehandlung der betroffenen Unternehmen und ist klimapolitisch kontraproduktiv. Zudem können Unternehmen im Wärmesektor, die unter das ETS-Regime fallen durch eine finanzielle Kompensation gemäß § 11 Abs. 6 BEHG-E besser gestellt werden als Unternehmen, die ausschließlich unter das nEHS-Regime fallen. Auch ist die in § 11 Abs. 6 BEHG-E vorgesehene vollständige finanzielle Kompensation kritisch zu hinterfragen, da die erwähnten Anlagenbetreiber im EU-ETS bereits über das TEHG kostenlose Emissionsberechtigungen für bis zu 70 % der Wärmeerzeugung erhalten. Umfangreiche finanzielle Kompensationen in beiden Emissionshandelssystemen wären eine nicht vertretbare Wettbewerbsverzerrung.

Komplexität und Umsetzungsaufwand unverhältnismäßig hoch und verfassungsrechtlich riskant

Das Gesetz ist geradezu ein Paradebeispiel für Bürokratisierung und Praxisferne. Anstelle den bei allen Akteuren vertrauten und bekannten Weg über eine CO2-orientierte Novelle des Energiesteuerrechts zu gehen, wird hier ein rechtlich unsi-cheres und hochbürokratisches neues System eingerichtet. Die Folge: Mehr als 4.000 Unternehmen werden mit zahlreichen neuen Berichtspflichten, Kontrollen und Kosten konfrontiert. Allein die Bestimmung zu den vorgegebenen Überwa-chungsplänen in § 6 Abs. 1 Satz 1 BEHG-E ist geradezu symptomatisch für die geradezu kafkaesken Bürokratiemechanismen die hier erdacht wurden. Dazu passt, dass mehr als zehn geplante Rechtsverordnungen im Gesetzentwurf enthalten sind, in denen die Bundesregierung im Alleingang (ohne Zustimmung des Bundesrates) wesentliche Details der Regelungen erst noch festlegen kann und muss. Die damit verbundenen Unwägbarkeiten sind nicht zumutbar. Nicht zuletzt entsteht ein Mehrbedarf in der DEHSt. von 2,3 Mio. Euro pro Jahr.

Entlastungsmaßnahmen unzureichend und nicht zielwirksam

Der gewählte niedrige Einstieg in die CO2-Bepreisung führt auch zu relativ gerin-gen Einnahmen, die es nicht ermöglichen, die Verbraucher im Gegenzug stärker über eine Senkung der Steuern, Abgaben und Umlagen auf den Strompreis zu entlasten. Impulse für die Sektorkopplung bleiben mit dem im Klimaschutzprogramm 2030 vorgesehenen Absenkungen der EEG-Umlage (-0,625 ct bis 2023) absolut unzureichend, Beim Regierungsvorschlag fällt die Entlastung in Sachen EEG-Umlage nicht nur sehr gering aus, es würde damit ggf. auch eine neue beihilferechtliche Problematik aufgemacht, die jede neue EEG-Novelle unsicher machen und verzögern könnte. Die Entlastungsmaßnahmen müssen einfach, zielwirksam und adressatengerecht gestaltet sein, statt den bestehenden Förder- und Anreizdschungel weiter zu verstärken.

Verzahnung mit EU-ETS nicht blockieren und Mindestpreis im EU-ETS zeitnah einführen

Der bne begrüßt das Ziel der Bundesregierung, sich für einen europaweiten über-greifenden Zertifikatshandel für alle Sektoren einzusetzen und daher den nationa-len Brennstoff-Emissionshandel perspektivisch in ein europäisches Emissionshandelssystems zu überführen. Allerdings beschreibt der vorliegende Gesetzentwurf ein Modell, dass sowohl von seiner Struktur als auch Komplexität so viele Hürden aufbaut, das eine Integration in das europäische Emissionshandelssystem ab 2030 geradezu verhindert wird (u.a. abweichende Verpflichtete, Festpreise und Preiskorridore, kein echtes Handelssystem). Außerdem wird das vorgelegte nationale EHS nicht die nötige Treibhausgasminderung bis 2030 in den Sektoren Wärme und Verkehr erreichen, was die Zusammenführung der verschiedenen Sektoren mit einem einheitlichen Preisniveau in einem Emissionshandelssystem eher ausschließt.

Die Bundesregierung hatte mit ihrem Klimaschutzprogramm 2030 außerdem be-schlossen, sich für die Einführung eines Mindestpreises im EU-ETS einzusetzen („In einem ersten Schritt soll der bestehende europäische Emissionshandel (für Energie und Industrie) um einen moderaten europäischen Mindestpreis ergänzt werden.“). Der bne begrüßt dieses Vorhaben sehr und ersucht die Bundesregierung, diese Maßnahme zeitnah voranzubringen.

bne fordert CO2-orientierte Steuerreform für mehr Klimaschutz ab 2020

Im 2. Fortschrittsbericht “Energie der Zukunft” zum Monitoring der Energiewende ist nachzulesen, dass ohne zusätzliche nationale Maßnahmen in der Klimaschutzpolitik, Deutschland seine CO2-Emissionen bis 2030 gerade mal um rund 41 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 reduziert. Das hieße: Mit keinen oder nicht wirksamen Klimaschutzmaßnahmen würde Deutschland in 2030 gerade einmal die für 2020 zugesagten Ziele erreichen. Die geplante CO2-Bepreisung durch das nationale Emissionshandelssystem für Brennstoffemissionen wird nach Einschätzung des bne nicht die erforderliche Lenkungswirkung entfalten, damit Deutschland seinen Beitrag zur Erfüllung des 2-Grad-Ziels von Paris leisten wird, geschweige denn unterstützt es die abgestrebte Begrenzung der Erderwärmung um 1,5 Grad. Die jährliche Zielverfehlung ist damit vorprogrammiert.

Der bne fordert, die CO2-Bepreisung für Wärme und Verkehr nicht erst in 2021 sondern in 2020 starten, weil Deutschland schon jetzt seine Klimaverpflichtungen nicht einhalten kann. Mit der Einrichtung dieses neuen Emissionshandelssystems ist eine schnelle Einführung der CO2-Bepreisung nicht möglich. Daher soll mindestens für die Einführungsphase gemäß § 11 Abs. 2 BEHG-E, d.h. bis Ende 2025, die CO2-Bepreisung nicht im Emissionshandel, sondern als Aufschlag auf die bereits bestehende Energiesteuer eingeführt werden (35 – 45 Euro je Tonne CO2 ab 2020 und jährlichen ansteigend um mindestens 5 Euro). Bis 2025 wird sich auch verlässlich klären lassen, ob Festpreise im Emissionshandel als de facto Steuer finanzverfassungsrechtlich überhaupt zulässig sind. Für das Mittelaufkommen muss anstelle eines neuen Förderdschungels ein abgestimmtes Maßnahmenpaket von Entlastungen bei Steuern, Abgaben und Umlagen im Strompreis, Korrekturen von wider-sprüchlichen und falschen Anreizen sowie unterstützenden Begleitinstrumenten.

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David Krehan

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