Erneuerbare Energien, Positionspapiere
11.07.2017

bne-Position zur Energiewende

Nach der Bundestagswahl im September 2017 werden die Weichen der Energiepolitik neu gestellt. Der Koalitionsvertrag wird richtungsweisende Fragen für eine nachhaltige Klimaschutz- und Energiepolitik beantworten müssen. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V. (bne) stellt im Folgenden die aus seiner Sicht zentralen Vorschläge dazu vor.

1. Das Pariser Klimaschutzabkommen verankern

2. Wettbewerb in der Energiewende sichern und für neue Geschäftsmodelle ausbauen

3. Den Strommarkt stärker flexibilisieren

4. Die Energiewende in allen Sektoren denken

5. Den Wärmemarkt in Schwung bringen

6. Die Elektromobilität zum Aushängeschild entwickeln

7. Das System der Netzentgelte, Abgaben und Umlagen reformieren

8. EU-Rahmenbedingungen für eine nationale Dekarbonisierungspolitik etablieren

9. Unflexiblen fossilen Kraftwerksbestand schnell verringern

10. Die erneuerbaren Energien in einen selbstragenden Markt führen

11. Innovationen und Energie Start-ups besser unterstützen


1. Das Pariser Klimaschutzabkommen verankern

In nationalen und internationalen Abkommen wurden verbindlich gemeinsame Ziele vereinbart, die Erderwärmung aufzuhalten und den Ausstoß klimaschädlicher Emissionen drastisch zu reduzieren. Das Pariser Klimaschutzabkommen muss sich daher in den europäischen und nationalen Klimaschutzzielen widerspiegeln. Hierzu sollen die mittel- und langfristigen Klimaschutzziele sowie die Maßnahmen so angepasst werden, dass mindestens 95 Prozent Treibhausgas-Einsparung bis spätestens 2050 erreicht werden.


2. Wettbewerb in der Energiewende sichern und für neue Geschäftsmodelle ausbauen

Deutschland läuft trotz erfolgreicher Liberalisierung Gefahr, bei der wettbewerblichen Ausgestaltung der Energiewende zurückzufallen. Die Trennung des regulierten Netzmonopoles von den wettbewerblichen Bereichen Erzeugung, Handel, Metering und Dienstleistungen ist in weiten Bereichen der Verteilnetze nie ausreichend umgesetzt worden. Gerade vor dem Hintergrund der Dezentralisierung, durch die Erzeugung, Digitalisierung, Aggregierung und Messwesen auf der Verteilnetzebene stattfinden, sind faire Wettbewerbsbedingungen unerlässlich. Nicht neutrale Netzbetreiber können den Informationsvorteil aus dem Netzgeschäft für neue, wettbewerbliche Geschäftsmodelle für sich oder verbundene Unternehmensteile ausnutzen. Deshalb müssen in einem ersten Schritt die Ausnahmeregelung hinsichtlich der rechtlichen und operationellen Entflechtung überprüft und in einem zweiten Schritt die Grenzen der De-Minimis Klausel sukzessive reduziert werden.


3. Den Strommarkt stärker flexibilisieren

Die erneuerbaren Energien prägen den Strommarkt immer stärker. Wind- und PV-Anlagen spielen dabei die wesentliche Rolle. Der Strommarkt muss auf deren volatile Einspeisung in Zukunft besser reagieren können. Ein Schlüssel zur Lösung dieser Herausforderung liegt in der Vernetzung von Erzeugung und Verbrauch über eine automatisierte Mess- und Steuerungsinfrastruktur. Sowohl das Energiewirtschaftsgesetz als auch das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende bieten bei entsprechenden Anpassungen den idealen Raum für einen technologieoffenen liquiden Flexibilitätsmarkt.

Durch einen bundesweit einheitlichen Regulierungsrahmen sollen Flexibilitätspotenziale nutzbar gemacht, neue Geschäftsmodelle ermöglicht und gleichzeig lokale Netzsituationen berücksichtigt werden. Anknüpfungspunkte bietet die Ausnahmeregelung bei den Netzentgelten: Eine Bonus-Malus-Regelung (ohne zusätzliche Mehrkosten gegenüber dem Status quo) belohnt diejenigen, die sich künftig netzdienlich verhalten. Für einen solchen Flexibilitätsmechanismus ist die Umsetzung der Verordnungsermächtigung des § 14a EnWG und die Neuausrichtung der § 19 Abs.2 S.1 StromNEV (atypische Netznutzung) und § 19 Abs.2 S.2 StromNEV ein wichtiger Schritt nach vorne. Die Regelungen zu Aggregatoren müssen umgesetzt und sukzessive weiterentwickelt werden. Ein zusätzlicher notwendiger Schritt ist die Anpassung der Anreizregulierungsverordnung, um auch die Technologieoffenheit und Transparenz sicherzustellen. Ebenso wichtig ist, dass in Hinblick auf mehr Flexibilität im Verteilnetz ein Zusammenschluss der Betriebsführung von Verteilernetzen angestrebt wird, um ausreichend große und effiziente Einheiten sicherzustellen.


4. Die Energiewende in allen Sektoren denken

Die erste Phase der Energiewende findet mit dem Ausstieg aus der Atomkraft, dem eingeleiteten Ausstieg aus der Kohle und dem massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien ihr Ende. Die nächste Phase wird von Megatrends wie Dezentralität, Digitalisierung und Disruption geprägt. Trotz weitgehender Bemühungen und Diskussionen in der vergangenen Legislaturperiode fehlt weiterhin ein Masterplan für eine Energiewende im wahren Sinne des Wortes. Alle Ansätze einer Wärme- und Verkehrswende ergänzend zur Wende im Stromsektor blieben bisher Stückwerk. Und auch im Stromsektor fehlt bisher ein überzeugendes Gesamtkonzept, dass die einzelnen Puzzleteile zu einem Gesamtbild zusammenfügt. Zentrale Aufgabe der neuen Bundesregierung ist es deshalb, eine konsistente Strategie für die nächste Phase der Energiewende vorzulegen.

Die Dekarbonisierung muss im Strom-, Wärme– und Verkehrssektor übergreifend erfolgen. Die erforderliche 95 Prozent Emissionsreduktion bis 2050 gelingt nur mit einer Sektorenkopplung. Dafür brauchen wir einen klugen gesetzlichen Rahmen in den einzelnen Sektoren und deren Verknüpfung. Der Entwicklungspfad verschiedener Technologien und Lösungen weist den Weg in ein „Power-Based-System“, das auch die Sektoren Wärme und Verkehr weitgehend elektrifiziert. Die Rahmenbedingungen für Power-to-X-Anlagen und Umwandlungstechnologien müssen daher verbessert werden. Umwandlungstechnologien unterstützen die Systemintegration erneuerbarer Energien und ermöglichen die Dekarbonisierung in Bereichen, wo eine direkte elektrische Energieversorgung nicht möglich oder nicht wirtschaftlich ist. Darüber hinaus müssen regulatorische Barrieren für Strom- und Wärmespeicher abgebaut werden und diese in einen konsistenten Rechtsrahmen für Flexibilitäten eingebettet werden, damit diese bei konsequenter Sektorenkopplung einen volkswirtschaftlichen optimalen Entwicklungspfad für die Energiewende beschreiten können.

Energieeffizienz („energy efficency first“) darf nicht länger gegen Flexibilität ausgespielt werden. Es ist nicht mehr nur entscheidend, pauschal den Energieverbrauch zu senken. Die Nutzung von Energie zum richtigen Zeitpunkt ist heute wichtiger als die Einsparung von Energie zum falschen Zeitpunkt.


5. Den Wärmemarkt in Schwung bringen

Eine zielkonforme Wärmewende kommt nur in Schwung, wenn in einem ersten Schritt die gravierenden Wettbewerbsverzerrungen zwischen konventionellen und erneuerbaren Wärmerzeugungstechnologien abgebaut werden. Subventionen für Erdöl betriebene Heizungen konterkarieren die klimapolitischen Bemühungen. Der direkte Einsatz insbesondere von selbst erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien darf nicht eingeschränkt werden. Für einen fairen Wettbewerb im Wärmemarkt ist ein Level-Playing-Field unerlässlich.

Die Elektrifizierung des Wärmemarktes leistet einen wichtigen Beitrag zur Dekarboniserung. Die Saisonalität des Wärmebedarfs stellt das Energiesystem jedoch vor eine große Herausforderung. Mittels Power-to-CleanGas-Technologie steht jedoch eine wichtige langfristige Speicheroption zur Verfügung, die zügig weiterentwickelt werden muss.


6. Die Elektromobilität zum Aushängeschild entwickeln

Jeder dritte Arbeitsplatz in der EU-Autoindustrie befindet sich in Deutschland. Das Auto ist für den Wirtschaftsstandort von immenser Bedeutung. Mit den Klimaschutzzielen wachsen die Herausforderungen für die Zukunft. Bei der Elektromobilität hinken die deutschen Autobauer jedoch hinterher. Die Wettbewerbsfähigkeit hängt aber massiv an der nationalen Entwicklung. Deutschland wird daher bei der Elektromobilität Fahrt aufnehmen müssen. Eine verbindliche europäische Verkaufsquote für jeden Autohersteller für das Jahr 2025 ist ein erster Schritt. Weil auch der regulatorische Rahmen für die Elektromobilität zu eng gefasst ist, müssen weitere Schritte folgen. Dazu zählt zum einen die Verzahnung energiewirtschaftlicher Regeln und Erfordernisse (z.B. für Steuerung von Lasten) mit den Anforderungen der Informations- und Kommunikationstechnik und dem tatsächlichen Bedarf mobiler Anwendungen. Zum anderen sind pragmatische Zertifizierungskriterien für die Elektromobilität gewichtige Indikatoren für die Erfolgsgeschichte in Deutschland.


7. Das System der Netzentgelte, Abgaben und Umlagen reformieren

Rund drei Viertel des Verbraucherstrompreises sind staatlich veranlasste oder regulierte Preisbestandteile. Die hohe Belastung mit Steuern, Abgaben und Umlagen benachteiligt Strom im Wettbewerb gegenüber Energieträgern; zugleich hemmt die bestehende Netzentgeltsystematik die Nutzung von Flexibilität im Strommarkt. Bei der notwendigen Reform der Netzentgeltstruktur weisen Überlegungen wie die Ablösung der Leistungspreise und Arbeitspreise durch ein fixes Netzanschlussentgelt ebenso wie die Möglichkeit eines Infrastrukturbeitrags der Liegenschaft in die richtige Richtung. Mit klug gesetzten Rahmenbedingungen lassen sich Verwerfungen für einzelne Verbrauchsgruppen und Brüche für die Netzbetreiber vermeiden. Insgesamt muss ein auch sozialpolitisch überzeugendes Konzept einer fairen Kostenverteilung vorgelegt werden.

Ebenso sind Lösungen für die EEG-Umlage zu entwickeln. Durch eine Umverteilung der EEG-Kosten unter Einbezug der Sektoren Wärme und Verkehr kann die EEG-Umlage auf den Stromverbrauch gesenkt werden. Die Belastung der Energieträger entsprechend ihrer CO2-Emissionen kann Investitionen und Nutzung hin zu sauberen Energieversorgungslösungen lenken.


8. EU-Rahmenbedingungen für eine nationale Dekarbonisierungspolitik etablieren

Die europäischen Rahmenbedingungen im Bereich Markt und Design der Fördersysteme sollten eine zügige und ambitionierte Energiewende unterstützen. Viele Vorschläge des im November 2016 vorgelegten Energiepakets der EU Kommission „Saubere Energie für alle Europäer“ gehen bereits in die richtige Richtung. Europaweit auf einen gestärkten und flexibleren Strombinnenmarkt zu setzen, ist notwendig für die Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarkts. Die Öffnung der Strommärkte für alle Anbieter und Technologien, der Marktzugang für alle Akteure, effektive Preissignale, Datenzugang für alle Dienstleister und die optimale Nutzung von Flexibilitäten auf lokaler und zentraler Ebene sind zentrale Anliegen (der EU-Kommission) und sollten unterstützt werden.


9. Unflexiblen fossilen Kraftwerksbestand schnell verringern

Noch immer kann das Einspeisepotenzial erneuerbarer Stromerzeugung nicht voll genutzt werden, weil sie zunehmend abgeregelt werden. Neben fehlendem Netzausbau tragen unflexible konventionelle Kraftwerke zu unnötig hohen Redispatch- und Einspeisemanagementkosten bei und verteuern somit die Energiewende. Diese Fehlentwicklung soll korrigiert werden, indem ein angemessenes Level Playing Field zwischen den einzelnen Energieträgern hergestellt wird, wodurch vor allem erneuerbare Energien CO2-intensive Stromerzeugung verdrängen können.

Seit 2012 oszilliert der Preis für eine Tonne CO2 jedoch um die fünf Euro. Weil der europäische Emissionshandel (ETS) leider durch seine Architektur nicht in der Lage ist, wirksame CO2 Preise aufzurufen, ist eine ambitionierte CO2-Bepreisung schnellst möglich einzuführen. Ein erster Schritt ist die Einführung eines nationalen CO2-Mindestpreises im Stromerzeugungsmarkt von ca. 30 Euro€/ t CO2, welcher schrittweise anzuheben ist.

Darüber hinaus müssen sich KWK-Anlagen den Flexibilitätsanforderungen unterwerfen. Eine wärmegeführte, stromseitig unflexible KWK, die ggf. netzbelastend zur fluktuierenden EEG Einspeisung im „Wärme-Must-Run“ gefahren wird, hat in der Energiewende keine Zukunft.


10. Die erneuerbaren Energien in einen selbstragenden Markt führen

Das EEG basiert auf einem Einspeisesystem, das weiterhin einen Teil neuer Erzeugungsmengen über eine marktferne,- risikofreie und staatlich regulierte Vergütung in das System presst. Das EEG muss jedoch zu einem marktaffinen System mit wettbewerblich ermittelten Preisen auf der einen Seite und auf der anderen Seite zu einem über die Nachfrage funktionierenden System weiterentwickelt werden. Die Treiber dieser Nachfrage können die dezentrale vor Ort Versorgung sowie die Sektoren Wärme und Mobilität sein, die durch die so steigende Nachfrage eine Sogwirkung aus dem Markt erzeugen. Der Strompreis bekommt so wieder die nötige Signalwirkung, um Reaktionen von Handel, Speicherung, Erzeugung und Verbrauch zu veranlassen, ohne dass es gesetzter und regulierter Strompreisverstärkungssignale bedürfte.


11. Innovationen und Energie Start-ups besser unterstützen

Die Energiewende ist ein Innovationsprojekt: Viele junge Unternehmen haben in den vergangenen Jahren Ideen für Strom, Wärme und Mobilität entwickelt. Diesen Entwicklergeist, den Mut Dinge auszuprobieren, müssen wir weiter fördern und ausbauen. Fundamental ist, dass sich die Gründer auf faire Marktbedingungen verlassen können, um ihre Geschäftsmodelle im Wettbewerb zum Erfolg führen zu können. Von großer Bedeutung ist zudem ein Umfeld, das Unternehmensgründungen erleichtert sowie die Existenz von Förderprogrammen, wie etwa EXIST.

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Alexander Karasek

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