Gastbeitrag von Arndt Börkey, Leiter Strom und Regulierung, aus dem Energate Messenger vom 27. September 2021
Die vom BDEW vorgestellte Übergangslösung für die Umsetzung des Redispatchs 2.0 belastet die Bilanzkreisverantwortlichen einseitig. Sie sollen einen erheblichen Beitrag zur Systemsicherheit leisten, ohne die dafür notwendigen Informationen zu erhalten und ohne dass sichergestellt ist, dass sie die Kosten für diese Leistung wirklich erstattet bekommen. Die wesentlichen Verbesserungen, die der Redispatch 2.0 erreichen sollte, werden mit der Übergangslösung bis mindestens März 2022 verschoben.
Die Netzbetreiber entledigen sich für diese Übergangszeit der Pflicht, den Bilanzausgleich vornehmen zu müssen und können die Kosten des pauschalisierten finanziellen Ausgleichs an die Netznutzer weiterreichen – das hat die Bundesnetzagentur schon zugesagt. Für die großen konventionellen Kraftwerke bzw. ihre Bilanzkreisverantwortlichen ändert sich nichts, sie werden wie bisher auch behandelt und erhalten den Bilanzausgleich.
Die bilanzkreisverantwortlichen Direktvermarkter erneuerbarer Energien hingegen werden gegenüber der ab dem 01.10.2021 geltenden Gesetzeslage schlechter gestellt. Und ihre Situation ist sogar schlechter als die bisherige, weil das Kostenrisiko während der Übergangslösung aus verschiedenen Gründen erheblich ansteigt. Direktvermarkter haben zudem schon neue Verträge mit den Anlagenbetreibern abgeschlossen, die einen Bilanzausgleich voraussetzen und die mit der Übergangslösung wieder veränderte Risikostruktur nicht mehr angemessen berücksichtigen.
Direktvermarkter bleiben im Zweifel auf Kosten sitzen
Die Direktvermarkter tragen mit der Übergangslösung wieder die Beschaffungsrisiken, die mit der Neuregelung eigentlich abgeschafft werden sollten. Sie erhalten weiter keine Vorankündigung durch die Netzbetreiber und können deshalb auch keine vollständige Bewirtschaftung ihrer Bilanzkreise sicherstellen: Sie wissen nicht, wann die Eingriffe stattfinden, wie lange sie andauern und eine marktseitige Beschaffung bedarf Mindestvorlaufzeiten. Damit sind unabwendbare Abweichungen verbunden, die durch sehr teure Ausgleichsenergie gedeckt werden müssen. Ein noch immer nicht gut funktionierender Regelenergiemarkt verschärft diese Risiken weiter deutlich. Der im Vorschlag vorgesehene pauschalierte finanzielle Ausgleich deckt diese Risiken nur unvollständig ab, im Zweifel bleiben die Direktvermarkter auf den Kosten sitzen.
Dazu kommt ein erheblicher zusätzlicher Aufwand, um die Bilanzkreise zu bewirtschaften, die abzurechnenden Mengen mit den Netzbetreibern abzustimmen und zusätzliche Rechnungen zu stellen. Es ist dabei noch unklar, welche Netzbetreiber für welche Anlagen doch noch einen Bilanzausgleich anbieten wollen. Das aber stellt die Direktvermarkter vor weitere Probleme, denn ihre IT-Systeme sind nicht darauf eingestellt, hier unterschiedliche Vorgehensweisen der Netzbetreiber zu unterstützen. Dieser Zusatzaufwand wird in der Übergangslösung nicht einmal angesprochen, ersetzt wird er sicher nicht.
Rechtlich fragwürdig
Im Ergebnis ist die „Branchenlösung“ ganz klar zum Nachteil der bilanzkreisverantwortlichen Direktvermarkter und ganz einseitig zum Vorteil der Netzbetreiber. Und ob die „Branchenlösung“ rechtlich haltbar ist, wird sicher noch geklärt werden müssen. Dass Netzbetreiber ohne Konsequenzen ihren gesetzlichen Pflichten nicht nachkommen können, ist schon fragwürdig. Dass sie einen Wert für einen pauschalierten finanziellen Ausgleich vorgeben können, ist bemerkenswert. Dass die Bilanzkreisverantwortlichen im Zweifel auf ihren Kosten sitzen bleiben sollen, ist höchst befremdlich.