Dieser Gastbeitrag von bne-Geschäftsführer Robert Busch ist erstmals im Energate Messenger vom 09. November 2021 erschienen.
Die eigene PV-Anlage auf dem Dach, Wärmepumpe und Speicher im Keller und das Elektroauto vor der Tür – diese Vision hat enormes Potenzial für die Energiewende vor Ort. Doch neben der digitalen Infrastruktur braucht es dafür dringend einen Rahmen für netzdienliche Flexibilitäten im Verteilnetz, auf den die Branche schon lange wartet. Dadurch soll vermieden werden, dass die Netze ihre Grenzen überschreiten, wenn die vielen neuen Geräte der Kunden zur selben Zeit Strom verbrauchen. Dies muss in Einklang gebracht werden mit der notwendigen Flexibilisierung des Stromverbrauchs für eine ausgeglichene Systembilanz, um die Stromnachfrage besser mit dem Stromangebot zu synchronisieren.
Spitzenglättung im Giftschrank lassen
Die neue Bundesregierung muss hier für eine moderne, marktliche und unbürokratische Regelung sorgen. Dafür ist der bestehende §14a im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) dringend zu reformieren, der den Verbrauchern in der Niederspannung ein reduziertes Netzentgelt ermöglicht, wenn sie ihren Verbrauch nach den Erfordernissen des Netzes anpassen. Das ist auf Dauer zu schlicht. Die dazu in der letzten Legislaturperiode vorgeschlagene Verschlimmbesserung konnte gerade noch abgewendet werden, als Wirtschaftsminister Altmaier einen völlig kontraproduktiven Verordnungsentwurf zum §14a EnWG aus seinem Haus kippte. Jetzt schüren Netzbetreiber ohne Not wieder die Angst vor Netzüberlastungen, etwa durch Elektroautos und fordern ausgerechnet ein Zurück zu den seinerzeit vorgesehenen Zwangsabschaltungen.
Verbraucher nicht aus dem Auge verlieren
Unangekündigte Unterbrechungen sind aus vielen Gründen keine gute Lösung. Sie entmündigen die Verbraucher und nehmen einen viel zu großen Teil der Flexibilität der Kunden vom Markt. Zudem hätten die Netzbetreiber keinen Grund mehr, ihre Netze pflichtgemäß zeitnah an den Bedarf der Verbraucher anzupassen. Die Verbraucher könnten dann nur begrenzt auf ein schwankendes Stromangebot reagieren. Die Folge: Erneuerbare Erzeugungsanlagen müssten noch stärker als bisher unnötig abgeregelt werden, was die Energiewende verteuern würde.
Mehr Flexibilität anreizen, nicht erzwingen
Die neue Energiewirtschaft braucht die Verteilnetze als intelligente, marktliche Enabler und nicht als rückwärtsgerichtete Zwangsbewirtschafter. Wie steuerbare Lasten sowohl netz- als auch marktdienlich eingesetzt werden können, hat der bne mit seinem Quotenmodell detailliert aufgezeigt (Link). Flexibilität soll angereizt, nicht erzwungen werden. Auch aufgrund EU-Recht ist eine marktliche Lösung vorzusehen.
Das Netz muss dem Bedarf folgen, nicht der Bedarf dem Netz
Notwendige Voraussetzung ist zunächst das Wissen über Knappheiten im Netz. Die tatsächliche Auslastung im Niederspannungsnetz liegt für die allermeisten Netzbetreiber völlig im Dunklen. Erst wenn eine Echtzeit-Erfassung der Auslastung vorliegt, lässt sich seriös beurteilen, ob Eingriffe aus dem Monopolbereich überhaupt notwendig sind. Zudem fehlen immer noch die technischen Voraussetzungen, die eine Steuerung über das Smart-Meter-Gateway überhaupt erst ermöglichen. Die Aufgabenliste ist daher klar: eine zeitgemäße Digitalisierung ermöglichen und ein Anreizmodell entwickeln, das die wettbewerbliche Flexibilität in den Verteilnetzen freisetzt. Auf keinen Fall darf §14a EnWG zum Vorwand dienen, um den nötigen Netzausbau dauerhaft zu verschieben. Das Netz muss dem Bedarf folgen, um die Energiewende für alle zu ermöglichen.