Berlin, 22. November 2019. Eine Weiterentwicklung der Börsenpreiskopplung ist sinnvoll und sachgerecht. Insbesondere die Wahl eines neuen, die kurzfristige ¼-h- Preisentwicklung an der Börse besser widerspiegelnder Index-Wertes ist sachgerecht. Allerdings ist der vorgeschlagene Index problematisch. Ein Preisaufschlag sollte erst bei Knappheitssituationen aufgenommen werden, da ansonsten die Kosten für die Ausgleichsenergie und damit die Kosten für die Energieversorgung insgesamt steigen. Die vorgeschlagene Änderung kann nur ein erster Schritt zur weiteren Verbesserung der Ausgleichsenergiebepreisung sein.
Für den Strommarkt ist ein funktionierendes Regelenergiesystem von zentraler Bedeutung. Die Ausgestaltung der Regelungen zur Ermittlung der Ausgleichsenergie kommt dabei auch die Rolle zu, den Marktbeteiligten angemessene Anreize zu setzen, ihre Bilanzkreise gewissenhaft zu bewirtschaften. Allerdings sind Abweichungen zwischen den Prognosen und der tatsächlichen Erzeugung und dem tatsächlichen Verbrauch unvermeidbar. Deshalb ist die kostengünstige Bereitstellung von Regelenergie/Ausgleichsenergie ein wichtiger Baustein für eine kostengünstige Stromversorgung. Preisanreize müssen deshalb mit Augenmaß gesetzt werden.
Nachdem die bisherige Ausgestaltung der Börsenpreiskopplung mangels Liquidität der kurzfristigen Märkte auf einen Stunden-Index aufgesetzt hat, ist es sinnvoll, bei jetzt verbesserter Liquidität auf einen kurzfristigeren ¼-Stunden-Index zu wechseln. Ein solcher neuer Index kann die kurzfristigen Knappheiten besser abbilden und somit die Anreizstruktur für die Bilanzkreisverantwortlichen verbessern.
Index ID500
Allerdings zeigen die Angaben der ÜNB, dass der vorgeschlagene Index ID500 in einer erheblichen Anzahl von Viertelstunden nicht ermittelt werden kann. Auch wird der Index auf einem insgesamt geringen Handelsvolumen ermittelt, was ihn anfällig für Manipulationen macht. Die Bestimmung eines geeigneten Index ist eine Abwägung zwischen der Abbildung der Börsenpreise möglichst kurz vor dem Erfüllungszeitpunkt auf der einen Seite und der Liquidität der Märkte und der Resistenz gegen Manipulationsversuche auf der anderen Seite. Der bne plädiert dafür, die Basis des Indexwertes auszuweiten, zum Beispiel auf einen ID750. Gleichzeitig sollten auch weiter Stunden-Indizes ermittelt werden, die immer dann für die Börsenpreiskopplung herangezogen werden, wenn ein ID750-Wert nicht ermittelt werden kann.
Um die Basis der Ermittlung der Indizes weiter zu verbessern, sollten auch weitere Handelsplätze einbezogen werden. Hier erscheint es möglich, einen Handelsplatz übergreifenden Index zu berechnen. Diese Lösung würde das Problem mangelnder Liquidität eines einzelnen Handelsplatzes mindern, die Ergebnisse robuster machen und zugleich einen Preis ermitteln, der ausreichend nah am Erfüllungszeitpunkt liegt.
Mindestabstand
Die Einführung eines Mindestabstandes zum ermittelten Börsenpreis in Höhe von 25% oder mindestens 10 €/MWh lehnt der bne in dieser Form ab. Ein solcher Mindestabstand führt nicht zu signifikant besseren Anreizen zur Bewirtschaftung der Bilanzkreise, aber zu höheren Kosten der Bewirtschaftung – und das selbst bei lediglich geringen bis mittleren NRV-Salden. Der vorgeschlagene Mindestabstand führt damit im Wesentlichen zu höheren Kosten, insbesondere für Direktvermarktungsbilanzkreise und damit letztlich zu einer Verteuerung erneuerbarer Energien. Im Übrigen sollte auch nicht übersehen werden, dass eine Überhöhung der Ausgleichsenergiepreise – genauso wie zu geringe Preise – Arbitragegeschäfte ermöglichen, die aber nach den Ausführungen der ÜNB gerade vermieden werden sollen. Die Diskussion von Mindestabständen sollte im Rahmen der Ausgestaltung einer Knappheitskomponente bei größeren NRV-Salden erfolgen.
Weiterentwicklung des Ausgleichsenergiesystems
Die Systematik der Feststellung der Ausgleichsenergiepreise ist nur ein Aspekt im komplexen Zusammenspiel der Märkte und der Regelenergiebereitstellung. Hier sind über die Anpassung der Börsenpreiskopplung noch weitere Verbesserungen notwendig, um ein zugleich effektives und effizientes Gesamtsystem zu schaffen. Neben der Ausgestaltung der Regelenergiebeschaffung ist dabei vor allem die Einbeziehung der Bilanzkreisverantwortlichen in den Ausgleichsmechanismus von Bedeutung.
Bisher wird es den Bilanzkreisverantwortlichen nicht ermöglicht, sich systemdienlich zu verhalten, in dem sie bei negativen NRV-Salden Überspeisungen und bei positiven NRV-Salden Unterspeisungen erbringen. Ein solches Verhalten ist derzeit nicht erwünscht und wird nicht unterstützt. Dabei könnten die Bilanzkreisverantwortlichen einen erheblichen und kostengünstigen Beitrag zur Verringerung des Regelenergiebedarfs leisten. Voraussetzung hierfür ist, dass die NRV-Salden sehr zeitnah zur Verfügung gestellt werden und ein systemstützendes Verhalten auch grundsätzlich zugelassen wird.
Informationsasymmetrie beseitigen
Weiter muss darauf hingewiesen werden, dass insbesondere die großen Teilnehmer an den Regelenergieauktionen einen Informationsvorsprung gegenüber den übrigen Marktteilnehmern besitzen, den sie im Intra-Day-Markt zu ihrem Vorteil ausnutzen können. Diese Anbieter können durch die Information über die Zuschläge im Regelenergiemarkt die Ausgleichsenergiepreise vor allen anderen Marktteilnehmern abschätzen und damit ihre Intra-Day-Angebote optimieren. Im Moment des Abrufs haben sie zudem eine sichere Einschätzung zum gegenwärtigen NRV-Saldo, was ihnen zusätzliche Handlungsoptionen erlaubt. Beide Informationen sind anderen Marktteilnehmern nicht zugänglich und führen zu erheblichen Nachteilen für diese Marktteilnehmer. Auch um diese Informationsasymmetrie zu beseitigen, ist die zeitnahe Veröffentlichung der NRV-Salden notwendig. Zusätzlich sollten die Auktionsergebnisse der Regelenergie zeitgleich mit der Information an die Auktionsteilnehmer allen Marktparteien zugänglich gemacht werden.
Zeitplan
Angesichts der derzeitigen Preise für die Erbringung der Regelenergie ist die Änderung der Börsenpreiskopplung nicht kurzfristig notwendig. Die derzeitigen Preise geben bereits hohe Anreize zur Bilanzkreisbewirtschaftung. Eine Einführung der geänderten Börsenpreiskopplung ist deshalb erst mit Einführung der Regelarbeitsmärkte erforderlich.
Derzeitiges Preisniveau der Ausgleichsenergie
Derzeit ist das größte Problem für Bilanzkreisverantwortliche nicht ein zu geringer Ausgleichsenergiepreis, sondern zu hohe und völlig unberechenbare Preise. Nach der gerichtlich verfügten Beendigung des Mischpreisverfahrens und dem Rückfall auf das Leistungspreisverfahren im Regelenergiemarkt ist die Preisentwicklung der Ausgleichsenergie für die Bilanzkreisverantwortlichen sehr problematisch. Es sind derzeit regelmäßig extreme Preisspitzen zu beobachten, die zu einem unverhältnismäßig hohen Risiko für alle Bilanzkreisverantwortlichen führen. Diese hohen Preise treten bereits bei geringen bis mittleren NRV-Salden auf und sind nicht mit Knappheiten an den Märkten erklärbar. Auch die Wiedereinführung der technischen Preisobergrenze hat die Situation nicht grundlegend verändert. Der bne bezweifelt auch, dass mit der Einführung des Regelarbeitsmarktes wieder ein Preisgefüge wie im Mischpreisverfahren erwartet werden kann.
Der bne fordert zur Entschärfung dieser aktuellen Situation die kurzfristige Einführung einer Kappung der Ausgleichsenergiepreise entsprechend des von einer Gruppe von Direktvermarktern entwickelten Modells (liegt der Stellungnahme bei). Mit diesem Kappungsmechanismus werden sehr hohe Regelenergiepreise im Schritt 2 der Ausgleichsenergiepreisermittlung zunächst, abhängig von der Menge der in Anspruch genommenen Ausgleichsenergie, linear begrenzt. Der dann folgende Schritt der Börsenpreiskopplung bleibt hingegen bestehen, so dass in Momenten hoher Börsenpreise die Ausgleichsenergiepreise entsprechend angepasst werden. Mit diesem Modell werden die Ausgleichsenergiepreise bei geringen bis mittleren Ausgleichsenergiemengen auf vertretbare Höhen begrenzt und insgesamt berechenbarer. Damit kann das derzeit extrem hohe finanzielle Risiko für die Bilanzkreisverantwortlichen deutlich gesenkt werden und letztlich die Kosten der Bilanzkreisführung auf ein vertretbares Maß begrenzt werden.